Die Münchner Designerin Michaela Keune macht das traditionelle Mieder zur Mode – unabhängig von der Tracht, um die ihre Kunst kreist – Von Julia Sextl
Lässig posiert das Model im gestreiften Oberteil auf dem Segelboot. Der Wind spielt mit dem roten Gürtelband, das Boot schaukelt sanft auf den Wellen, die Frauen haben sichtlich Spaß. Hier, am Starnberger See entstehen gerade Fotos für eine neue Modekollektion – und zwar für Trachtenmode.
Ja, richtig gelesen, Tracht. Denn genau genommen ist das gestreifte Oberteil ein Trachtenmieder: mit eingearbeiteten Stäbchen, Schößchen und allem Drum und Dran.
Kombiniert mit Trachtenbluse und -rock, Schürze und den richtigen Accessoires gäbe es den perfekten Wiesn-Look. Mit weißem Hosenrock und einem schmalem Trägertop hingegen ist's luftig-lässige Freizeitkleidung.
Die Idee für den doppelten Einsatz in Tradition und Moderne stammt von der Münchner Modedesignerin Michaela Keune. „Die jungen Frauen wollen sich wieder weiblicher kleiden. Allerdings ohne den ganzen verrüschten Überbau“, sagt sie – und dann gerät sie ins Schwärmen.
Es gebe nun mal kein weiblicheres Kleidungsstück als das Mieder. Denn es rückt nicht nur die Brust schön zurecht, zu einem klassischen Mieder gehört auch das Schößchen im unteren Bereich. Am Rücken ist es dort traditionell in kleine Falten gelegt. „Das Schößerl“, sagt Keune, „betont den Po und lässt die Taille schmal wirken. Damit ist die urweibliche Form perfekt herausgearbeitet.“
Das sei auch ein Grund, warum Dirndl und Trachten wieder so modern geworden sind, sagt die Designerin und lacht herzlich: „Weil es den Männern gefällt!“
Nur ein kleines Problem gibt es dann doch mit den Trachten: Im Büro wäre eine Frau damit wohl genauso eine Exotin, als würde sie im Business-Kostüm aufs Oktoberfest gehen.
Mit Shirt oder Hose wird der Trachtenhybrid sofort alltagstauglich
Mit Keunes neuen Miedern soll jedoch genau das möglich sein – ein Trachten-Hybrid sozusagen.
Deshalb gibt’s auch allerhand dazu zu kombinieren: Farblich passende kurze und lange Röcke, glatt oder mit Falten, Marlene-Hosen, Shirts, Dirndlblusen und natürlich Schürzen. „Nur, dass ich für die Kollektion keine trachtigen Stoffe genommen habe, sondern moderne in den Farben blau, rot und weiß“, so Keune.
Dafür ist sie im Schnitt klassisch geblieben – und das verspricht für die Trägerin auch eine gewisse Stilsicherheit: So sieht die Kombination Mieder/Faltenrock klassisch nach Tracht aus, die Kombi Mieder/schmaler Rock ergibt ein figurbetontes Kostüm für's Büro oder für Abendevents. Mit einem Shirt wiederum werden Röcke und Hosen zum lässigen Freizeitlook.
Die Idee dazu kam eigentlich von Keunes Cousine aus Norddeutschland. Die sagte vor ein paar Jahren: „Michaela, mach doch mal was für den Norden!“ Denn auch Nicht-Bayern würden ihre Tracht, die sie mal für eine bayerische Hochzeit oder das größte Volksfest der Welt gekauft haben, gerne öfter tragen. „Aber für den Alltag ist das denen natürlich zu rüschig“, sagt Keune. Fünf Jahre ging sie mit dieser Idee schwanger – dann war ihre Linie „Keune Sports“ geboren.
Mit ihrer Vision der modernen Tracht hat sie offenbar einen Nerv getroffen. „Da kommt gerade eine neue Generation Frauen, die schon früh selbstbewusst sind und sich gern zeigen“, stellt Keune fest. Weiblich, schick und schön sei deren Credo. „Scheu ist von denen keine mehr.“
Eine natürliche Folge der Emanzipation? Keune: „Ich glaube, schon. Männer und Frauen sind ja mittlerweile ziemlich gleichgestellt. Eine lange Zeit haben sich Frauen ähnlich gekleidet wie Männer – deutlich zu sehen an den vielen Hosenanzügen in Wirtschaftsberufen. Mittlerweile müssen sie sich nicht mehr als die besseren Männer verkaufen, sondern dürfen wieder Frauen sein – und weiblich.“
Schon seit Jahrhunderten zeichnet sich der Geschlechterkampf auch in der Mode ab: So trugen Ende 1800 Frauen erstmals Hosen und gerade geschnittene Korsetts – damals gab es noch keinen BH –, einige rauchten Zigarre, um sportlich, stark und männlich zu wirken. Nach dem Krieg dann, in den 50ern, setzte sich das Gegenteil durch, mit Petticoats und Frauen, die vor allem für die Familie da sein sollten.
In den 70ern folgte die große feministische Revolution mit äußerst figurbetonter, knapper Mode. Dann kamen die maskulinen, weiten Schnitte mit breiten Schulterpolstern, in einer Zeit, in der auch Keune groß geworden ist: „Ich war eine unglückliche Jugendliche der 80er“, sagt Keune und lacht. „Geschlagen mit einer weiblichen Figur, versunken in diesen Schulterpolster-, Bündchen und Bundfalten-Klamotten, die nicht die Vorzüge betonten, sondern reinste Säcke waren. Man sah darin immer ein bisschen aus wie ein Michelin-Männchen.“
Am Anfang war eine Party in Salzburg - mit Trachtenzwang
Richtig wohl in Bekleidung habe sie sich zum ersten Mal mit knapp 20 gefühlt. Damals lebte sie in Bonn, war für einen Kurs für Malerei an der Sommerakademie in Salzburg – und wurde von einer Mitstudierenden für eine Party in eine Tracht gesteckt.
„So was habe ich dann später in München gesucht – traf dort aber nur auf explodierte Leinensackkleider“, so Keune. Klar, da war gerade die Landhausmode im Trend. Und so reifte in Keune die Idee, künftig einfach selber Trachten zu entwerfen. Sie studierte Modedesign – und legte los. Ihre Trachten sind gefragt, auch unter Deutschlands Stars und Sternchen, darunter Anja Kruse, Michaela May oder Christine Neubauer.
Nur ein Kleidungsstück kommt Michaela Keune nicht in ihr Pullacher Atelier: das Dirndl. „Dirndl sind halt einteilige Kleider“, so die Designerin. Mieder hingegen säßen besser am Körper hätten hinten des kleidsamen Schößerl. „Die Oberteile aus meiner Sportkollektion sind quasi ein kleiner Kompromiss: Sie haben Elastananteile und weniger Stäbchen, dadurch sind sie schön bequem – und geben trotzdem noch guten Halt.“
Zur Person
Michaela Keune wuchs in Bonn auf und hat sich als Modedesignerin schon früh auf Trachten spezialisiert. Zum ersten Mal eine probiert hat sie vor 27 Jahren in Salzburg. Ihr Modeatelier ist in Pullach. Infos und Termine unter www.keune-sports.com oder www.michaelakeune.de
Dieser Artikel erschien am 12. August 2017 in der Abendzeitung München (AZ). Hier der Originalartikel aus der AZ (PDF, 1 MB).
- Text: Julia Sextl
- Fotos: Jessica Kassner & Julia Sextl
- Models: Sarah Valentina Winkhaus & Anne Pfundmair
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